Reflexivität ist unverzichtbarer Bestandteil differenzierter Gesellschaften von heute. Beratung als Profession repräsentiert die soziale Instanz dieses reflexiven Potenzials. Ein exemplarischer Ort für den solidarischen Umgang mit der resultierenden Vielfalt ist die DGfB. Ihre Mitglieder verkörpern die Integration von Reflexivität in alle Gesellschaftsbereiche – für gemeinschaftlicheres Miteinander.
Beratung im Spannungsfeld von Diversität
Beratung ist heute mehr denn je konfrontiert mit wachsender Diversität. Eine immer vielfältigere Gesellschaft bringt mit ihren unterschiedlichen Lebensweisen, Milieus und Werten verschiedenste Anliegen hervor. Beratungskontexte stehend zunehmend im Kontrast, z. B. „Zwangsrahmen“ gegenüber „kommerzialisierten Angeboten“. Beratende sind entsprechend gefordert, sich immer neu angemessen professionell zu verhalten.
Weil Beratung als menschenbezogene Dienstleistung ihre Professionalität nur unter Rückgriff auf Normen und Werte legitimieren kann, taucht angesichts der Spannungsfelder in der Beratungslandschaft die Frage auf, ob geteilte Normen noch einen realistischen Anspruch darstellen, oder zunehmend umstritten sind? Und: Auf welche Weise entwickelt sich hierfür ein tragfähiges Sowohl-als-auch?
Reflexivität als dialogische Konsensbildung
Die Komplexität dieser Aufgabe bedarf eines offenen Dialogs, in dessen Rahmen gemeinsam über eine sinnvolle Gewichtung gesellschaftlicher Leitmotive zueinander reflektiert werden kann. Hierbei ist die Solidarität aller Gemeinschaften gefordert, ohne diese die ebenfalls anstehenden globalen Herausforderungen vielleicht kaum bewältigt werden können. So bedarf es möglicherweise einer Konsensbildung über den wohlgeformten Umgang mit Dissens.
Die allgemeine Reflexivität spielt in diesem Kontext eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig repräsentiert sie den Wesenskerns von Beratung. Damit ist die beratende Zunft mehr denn je gefordert, sich ihrer Rolle in der Gesellschaft bewusst zu sein, um diese in den Dienst der Gemeinschaft stellen zu können – denn Beratende sind Expertinnen und Experten für die Anwendung von Reflexivität.
Gemeinsame Nenner vergrößern
Der soziale Vertrag hält die Beratung als Profession dazu an, diese Expertise ihrer Klientel im Speziellen, und der Solidargemeinschaft im Allgemeinen zugänglich zu machen. In diesem Sinne ließe sich mit Reflexivität soziale Orientierung herstellen, beispielsweise durch gemeinsame Entwicklung geteilter Beschreibungen und Bewertungen von Zielen und Handlungsoptionen, sowie deren Angemessenheit für die globale Gemeinschaft. Und professionelle Beratung fördert dies.
Die DGfB als Dachverband für Beratung ist der geeignete Ort für diesen lebendigen Austausch, denn hier schaffen es ihre Mitglieder immer wieder, ein tragfähiges Gleichgewicht zu finden zwischen Interessenslagen, die gelegentlich bis hin zu widersprüchlich scheinen. Reflexivität, Ambiguitätstoleranz, Solidarität. Professionelle Beratung. Die Mitgliedsverbände der DGfB veranschaulichen gemeinsamen Dialog als nachhaltige Investition, die sich lohnt. Dieses Modell hat nicht nur Zukunft, es symbolisiert sie auch.
Weiterführende Literatur:
Abbott, A. (1988). The System of Professions. An Essay on the Division of Expert Labor. Chicago: Universiy of Chicago Press.
Banks, S. (1995). Ethics and values in social work. London: Macmillan.
Bohm, D. (1996). On Dialogue. London: Routledge.
Hoff, T. & Zwicker-Pelzer, R. (Hrsg.) (2015). Beratung und Beratungswissenschaft. Baden-Baden: Nomos.
Lindemann, H. (2019). Konstruktivismus, Systemtheorie und praktisches Handeln. Eine Einführung für pädagogische, psychologische, soziale, gesellschaftliche und betriebliche Handlungsfelder. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Nestmann, F., Engel F. & Sickendiek, U. (Hrsg.) (2013). Das Handbuch der Beratung (Band 3). Neue Beratungswelten: Fortschritte und Kontroversen. Tübingen: DGVT.
Schubert, F.-C., Rohr, D. & Zwicker-Pelzer, R. (Hrsg.) (2019). Beratung. Grundlagen – Konzepte – Anwendungsfelder. Wiesbaden: Springer.
Seel, H.-J. (2014). Beratung: Reflexivität als Profession. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Autor: Carsten Hennig (16.03.2021)