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Mehr gute Beratung im Gesundheitswesen

Gute Beratung im Gesundheitswesen am Beispiel des Diabetes Mellitus

eine Ausarbeitung von Mechthild Greive (DGVT) und Markus Lotz (DGfC)

Die DGfB hat 2019 ihr Positionspapier zum Thema „Guten Beratung im Gesundheitswesen“ veröffentlicht. Die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitsbereich – nicht zuletzt die Erfahrungen in der Zeit der Corona-Pandemie – zeigen aktuell die Notwendigkeit einer professionellen Beratung von Patient*innen und Zugehörigen überdeutlich:

Kranke Menschen und ihre Zugehörigen müssen in einem komplexen Gesundheits- und Pflegesystem navigieren, bei knappen Ressourcen das notwendige Angebot für sich finden, dabei unterschiedlichste Therapieformen und Dienstleister für z. B. Behandlung, Begleitung und Pflege berücksichtigen, sie sollen sich mit ihrer Krankheit und deren Auswirkungen auseinandergesetzt haben, sich am besten selbst unterstützen (im Sinne des Empowerment-Gedankens), eigene Lebensqualität erhalten u.v.m. Dabei spielt auch ein zunehmendes Bedürfnis nach Partizipation der Patient*innen und ihrer Zugehörigen (z. B. bei der Entscheidungsanbahnung) eine Rolle.

Professionelle Beratung dient dabei der …

  • Erreichung eines bestmöglichen Gesundheitszustandes der Patient*innen
  • bei ganzheitlicher Wahrnehmung der Kompetenz der Behandlungsbedürftigen und ihrer Zugehörigen
  • verbunden mit der Steigerung der Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung der Klienten und mit einer Beratung der Klienten mit Hilfe zur Selbsthilfe (Empowerment)
  • professionellen Reflexions- und Entwicklungshilfe im Alltag mit dem Ziel, Optionen und Handlungsalternativen zu entwickeln
  • Suche nach kongruenten Zielen und adäquaten Lösungsalternativen.
  • Förderung von Zuversicht und persönlicher Entwicklung durch den Einsatz individueller und systemischer Ressourcen.

Übergeordnet geht es bei den genannten Aktivitäten darum, dass die Klient*innen befähigt werden, ihre Lebenssituation selbstbestimmt und soweit möglich ohne „Gesundheitsfachexperten“ zu bewältigen.

Gute Beratung ist dabei immer getragen von zwei Kompetenzbereichen1eigene Darstellung, Beratungskompetenzen nach Engel, Nestmann, Sickendiek „Beratung“ – ein Selbstverständnis im Wandel, in: Engel, Nestmann, Sickendiek, Das Handbuch der Beratung, Band 1, DGVT Verlag Tübingen 2004a, S.35:

Handlungsfeldspezifisches Wissen
als Expert*innen

Beratungs- und Interaktionswissen
als Kommunikationskompetenz

In der Praxis zeigt sich, dass gute Beratung für die diversen Aufgaben und Rollen der verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitsbereich ein unterschiedliches Profil hat.

Betrachten wir diese zwei Kompetenzfelder in der Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten und Pflegekräften unter diesen Aspekten am Beispiel des Umgangs mit der chronischen Erkrankung des Diabetes:

Die Diagnose Diabetes mellitus bedeutet für viele Menschen einen deutlichen Einschnitt in ihr Leben. Patient*innen mit Diabetes müssen sich mit ihrer Erkrankung aktiv auseinandersetzen und mit vielen Belastungen zurechtkommen. Die Aussicht auf mögliche akute Stoffwechselentgleisungen und diabetesbedingte Begleit- und Folgeerkrankungen kann zu Unsicherheiten und Ängsten führen. Das wiederum kann sich auf die Diabetes-Behandlung auswirken.

Die Patient*innen sind in verschiedenen Phasen ihrer Erkrankung mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, welche eine professionelle Beratungskompetenz seitens der jeweiligen Akteure erfordern.

Die nachfolgende Grafik bezieht sich insbesondere auf den Kompetenzbereich „Beratungs- und Interaktionswissen als Kommunikationskompetenz“; selbstverständlich beinhalten diese Schritte aus unserer Sicht die gleichzeitige Aktivität als (ärztlicher) Expert*in. Dabei beinhalten die blauen Felder den Schwerpunkt des Handlungsspezifischen Wissens, die orangefarbenen Felder den Schwerpunkt Beratungs- und Interaktionswissen. Dieser Part der Prozessbegleitung wird in verschiedenen Kontexten 2IGES Institut, Studie zum Versorgungsmanagement
durch Patientenlotsen
, zuletzt aufgerufen am 04.01-2023
auch als Casemanagement oder Patienten*innenlotse bezeichnet.

Sicherlich bildet dieser Algorithmus nur ansatzweise die Komplexität der Beratungsbedarfe am Beispiel von Patient*innen mit der Erkrankung „Diabetes mellitus“ ab. Dennoch wird schon in der Übersicht deutlich, welche Breite an Beratungskompetenzen erforderlich sind, um den verschiedenen Bedarfen in verschiedenen Krankheitsphasen individuell gerecht zu werden. Sinnvoll erscheinen aus unserer Sicht dabei regelmäßige Follow-Up-Veranstaltungen für die Beratenden, in denen sie – beispielsweise in Supervision – ihre eigenen Belastungen und inneren Konflikte im Zusammenhang (z. B. mit herausfordernden Klient*innen) thematisieren können.

Des Weiteren sollte eine Diskussion aufgegriffen werden, die bereits seit einigen Jahren im deutschen Gesundheitswesen läuft. Ein entsprechender Vorschlag findet sich bereits im Gutachten des Sachverständigenrates für das Gesundheitswesen im Jahre 2007: „In einer segmentierten Versorgungslandschaft sind generalistisch ausgerichtete Berufsgruppen notwendig, die den Überblick über das Versorgungsgeschehen behalten und Lotsenfunktionen bzw. Gatekeeper-Rollen übernehmen (z. Hausärzte, Case Manager3Bericht des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen, 2007, s. 54, zuletzt aufgerufen am 04.01.2023 ).“ Das Konzept wurde später, 2018, in einer Studie4IGES Institut, Studie zum Versorgungsmanagement durch Patientenlotsen, zuletzt aufgerufen am 04.01-2023 im Auftrag der Patientenbeauftragten der Bundesregierung unter der Bezeichnung „Patientenlotsen“ anhand von verschiedenen Modellen beschrieben und wird ständig weiter entwickelt 5Deutsche Schlaganfallhilfe, Patientenlotsen bei Schlaganfall, zuletzt aufgerufen am 04.01.2023 .

Kontinuierliche Beratung von Menschen mit schweren, insbesondere chronischen Erkrankungen durch besonders qualifizierte, von den Patient*innen ausgewählte, vertraute und durch das Sozialversicherungssystem finanzierte Berater*innen ist wichtig, sinnvoll und erfolgreich.

Die DGfB unterstützt diese und ähnliche Konzepte von Beratung im Gesundheitsbereich und fordert eine gute Qualifizierung der „Patientenlotsen“ oder „Gesundheitsberater*innen“. Eine gesicherte Finanzierung des Beratungsangebotes ist dabei unverzichtbar.

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