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DGVT-Stellungnahme Cannabisgesetz-CanG-08-2023

DGVT-Stellungnahme Cannabisgesetz-CanG-08-2023

Medieninformation/Stellungnahme

30.08.2023

Gesetzentwurf zur Cannabislegalisierung (CanG): DGVT und DGVT-BV befürworten Cannabisgesetz, plädieren aber für Erweiterungen von

Jugendschutz, Prävention und Suchtbehandlung

TÜBINGEN – Das Bundeskabinett hat am 16.08.2023 den Entwurf eines „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG) beschlossen. Der Entwurf basiert auf dem 2-Säulen-Eckpunktepapier (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Cannabis/Eckpunkte

_2-Saeulenmodell_Cannabis.pdf) und setzt die 1. Säule zum privaten und gemeinschaftlichen, nicht- gewerblichen Eigenanbau für Erwachsene zum Eigenkonsum um. Die DGVT und der DGVT-BV schließen sich der Stellungnahme der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK, https://api.bptk.de/uploads/2023_07_24_Entwurf_STN_Ref_E_Can_G_d6efc78d2a.pdf) zum Cannabisgesetz an und befürworten eine Cannabislegalisierung. Gleichzeitig werden jedoch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Konzepte zu Prävention, Jugendschutz und Suchbehandlung als nicht ausreichend bewertet.

  1. Die bisherige Verbotspolitik ist gescheitert und erschwert aufgrund der Kriminalisierung die gesellschaftliche Teilhabe insbesondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen

    Bezüglich einer Cannabislegalisierung sind die negativen Folgen der Kriminalisierung von Menschen, die Cannabis konsumieren, abzuwägen mit den Gesundheitsgefahren, die mit dem Konsum von THC- Cannabis einhergehen können. Aus Sicht der DGVT und des DGVT-BV überwiegen die Vorteile einer Entkriminalisierung.

    Mit Blick auf die Gesundheitsgefahren eines THC-Konsums ist zunächst festzuhalten, dass diese nicht unerheblich sind. Eine Reihe von Studien belegt, dass der Konsum von Cannabis mit teils gravierenden gesundheitlichen Risiken verbunden ist, besonders für (vulnerable) Jugendliche Heranwachsende und Erwachsene, die von Cannabis abhängig geworden sind. Von besonderer Bedeutung sind hier Ängste, Depressionen und Panikanfälle sowie psychotische Symptome, die auch bei einmaligem Konsum von Cannabis auftreten können. Der Konsum von synthetischen Cannabinoiden kann sogar lebensbedrohlich sein. Bei vulnerablen Personen kann Cannabiskonsum zu schweren Depressionen, bipolaren Störungen, Angsterkrankungen und Psychosen (mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen) führen. Das kann wiederum das Suizidrisiko erhöhen. Besonders vulnerabel für Psychosen sind Jugendliche.

    Demgegenüber zeigt jedoch ein kritischer Blick auf den gegenwärtigen Stand des Umgangs mit Cannabis, dass die derzeitige Verbotspolitik (=jeglicher Besitz von Cannabisprodukten ist illegal und steht unter Strafandrohung) nicht gewirkt hat. Die Zahl der Cannabiskonsument*innen steigt trotz der Verbotspolitik seit Jahren an. Darüber hinaus hat die bisherige Kriminalisierung von Konsument*innen in

    Form von polizeilichen Strafanzeigen weitgehende Folgen insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene: Bei Vorliegen einer polizeilichen Anzeige kann diese in das polizeiliche Auskunftssystem aufgenommen und dort über mehrere Jahre gespeichert werden. Das kann sich in vielfältiger Weise negativ auf die Entwicklung dieser Jugendlichen und Heranwachsenden auswirken. Es kann sich erschwerend auf die Berufswahl junger Menschen auswirken, weil mit entsprechendem Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis eine Reihe von Berufswegen verschlossen sind. Zu den negativen Folgen gehört u.a. auch die Weigerung von Jugendhilfeeinrichtungen, Jugendliche, die Cannabis konsumiert haben (und dabei polizeiauffällig geworden sind), überhaupt aufzunehmen.

  2. Eine Cannabislegalisierung reduziert die negativen Auswirkungen des illegalen Marktes (Verunreinigungen) und ermöglicht eine bessere Kontrolle des THC-Gehalts

    Bisher können Menschen Cannabis nur auf dem illegalen Markt erwerben. Die Qualität der Ware ist dabei unbekannt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass neben verschiedenen gesundheitsschädlichen Verunreinigungen immer häufiger Naturcannabis mit synthetischen Cannabinoiden „verstärkt“ wird. Neben den Risiken, die mit der Strafverfolgung und der Kriminalisierung verbunden sind, kommen also noch Gesundheitsrisiken für Konsument*innen von Cannabis dazu.

    Das CanG ist prinzipiell darauf angelegt, die negativen Auswirkungen des illegalen Marktes mit Cannabis zu reduzieren und – langfristig gesehen – auszumerzen. Mit dem legalen Zugriff auf Cannabis über Eigenanbau und Anbauvereinigungen wird ein legales Angebot geschaffen mit der Möglichkeit einer Kontrolle der Menge, der Reinheit und des THC-Gehalts des Cannabis. In den Anbauvereinigungen dürfen für die Altersgruppe bis 21 Jahre nur 30 Gramm Cannabis mit einem THC-Gehalt von 10% im Monat abgegeben werden. Für Personen ab 22 Jahren dürfen pro Tag maximal 25 Gramm Cannabis und höchstens 50 Gramm im Monat abgegeben werden.

    Wenn das CanG – hier das CanAnbauG – rechtskräftig wird, ist nicht davon auszugehen, dass der illegale Markt damit sofort austrocknet und verschwindet. In dem Maße, in dem sich Anbauvereinigungen und Selbstanbau etablieren, steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass der illegale Markt schrumpft.

  3. Gesetzentwurf stellt erste (jedoch noch unzureichende) Weichen für die Entstigmatisierung von Cannabisabhängigkeit

    Wie bei anderen substanzgebundenen Süchten ist davon auszugehen, dass Menschen mit einer Abhängigkeit von Cannabis weiter stigmatisiert und diskriminiert werden. Es sind Zweifel daran angebracht, dass es allein mit einer partiellen Legalisierung von Cannabis gelingt, die Stigmatisierung, die mit dem Cannabiskonsum und mehr noch mit der Abhängigkeit von Cannabis einhergeht, abzubauen.

    Dennoch ist anzuerkennen, dass mit dem CanG die Weichen gestellt sind für eine Entstigmatisierung des Cannabiskonsums. Es ist davon auszugehen, dass die Hemmschwelle, über den eigenen Cannabiskonsum zu sprechen und sich entsprechende Hilfe in der Suchtberatung, einer Suchtklinik oder einer ambulanten Psychotherapie zu holen, etwas sinken wird. Dadurch wird der Zugang zur Suchthilfe verbessert. Dennoch fehlen weiterhin konkrete Konzepte, wie für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen der Zugang zu suchttherapeutischen Angeboten verbessert werden kann.

  4. Konzepte zur Suchtprävention im neuen Gesetzentwurf insgesamt zu vage

    Aus Sicht der DGVT und des DGVT-BV sind die im CanG angeregten Maßnahmen zur Prävention des Konsums von Cannabis unzureichend. Mit Bezug auf die Prävention soll jede Anbauvereinigung einen Präventionsbeauftragten benennen (vgl. §§ 1, 12, 23), der über Beratungs- und Präventionskenntnisse verfügen und den „Mitgliedern als Ansprechperson für Fragen der Suchtprävention zur Verfügung“ stehen soll. Der Präventionsbeauftragte muss seine Qualifikationen „durch Suchtpräventionsschulungen bei Landes– oder Fachstellen der Suchtprävention oder bei vergleichbar qualifizierten Einrichtungen“ nachweisen. Nicht geregelt ist, wie diese Nachweise zu erbringen sind bzw. wie die Qualität der Aus- und Fortbildung dieser Präventionsbeauftragten gesichert wird. Dieser Ansatz ist unbefriedigend und trägt wenig zur Stärkung der Suchtprävention bei. Es kann auch nicht allein Angelegenheit der Anbauvereinigungen sein, die Suchtprävention zu intensivieren bzw. mit den „Suchtberatungsstellen vor Ort zu kooperieren“, wenn sich herausstellt, dass Mitglieder von Cannabis abhängig geworden sind.

    Vielmehr bedarf es in diesen Bereichen weit mehr Anstrengungen als das im CanG vorgesehen ist.

    Das CanG sieht eine Reihe von Maßnahmen zur strukturellen Suchtprävention vor, die als gute Ansätze einzuschätzen sind. Dazu zählen u.a. Werbeverbote für Cannabis und Cannabisprodukte (§§ 1, 6), die räumliche und zeitliche Verfügbarkeit (vgl. §§ 5, 12), Vorgaben zur Produktsicherheit (§§ 17, 18) sowie Maßnahmen zum Gesundheitsschutz (§ 21). Regelungen, die dem Gesundheitsschutz dienen, sind beispielsweise Verbote der Beimengung von Tabak oder Aromen zum selbstproduzierten Cannabis, die Feststellung des THC- und CBD-Gehalts, Hinweise auf mögliche neurologische und gesundheitliche Schäden beim Konsum von Cannabis (bis 25 Jahre – aber keine Erwähnung solcher Schäden bei älteren Personen, Schwangeren und anderen vulnerablen Gruppen) sowie auf mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Einschränkungen im Straßenverkehr sowie beim Bedienen von Maschinen (vgl. §§ 18, 19, 21). Der Gesetzentwurf ist demnach um den Gesundheitsschutz der Menschen, die Cannabis konsumieren, durchaus bemüht, bleibt aber in wichtigen Teilen dennoch zu unkonkret.

    Weiterhin verweist das CanG für Fragen der Prävention auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (§ 8), die eine digitale Plattform errichten soll, „auf der sie Informationen zu der Wirkung, den Risiken … von Cannabis, zu Angeboten der Prävention, Beratung und Behandlung…“ bereitstellen soll. Im Kern geht es fast durchweg um digitale Angebote, die sich zum einen an die Konsumierenden selbst richten und zum andern an die Präventionsbeauftragten in den Anbauvereinigungen. Dabei lässt das CanG außer Acht, dass kooperative digitale Präventionsangebote bereits im Aufbau sind (vgl. die Plattform DigiSucht). Kritisch zu betrachten ist weiterhin, dass die Prävention, die in den Bundesländern und vor Ort geleistet wird, davon wenig profitiert. Aktuell wird Suchtprävention überwiegend selektiv vor Ort und im Rahmen existierender Strukturen angeboten, die auch Kindergärten und Schulen miteinbeziehen. Es wäre wünschenswert, dass sich die Ansätze zur Suchtprävention, die das CanG anregt, in die vorhandenen Strukturen einfügen. Dazu gehört auch, dass ihre Finanzierung durch den Gesetzgeber gewährleistet wird, u.a. durch eine feste Anbindung an § 20a SGB V (Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten).

  5. Unzureichende Aussagen zum Jugendschutz im neuen Gesetzentwurf

    Der Gesetzentwurf zur Cannabislegalisierung macht nur wenige Aussagen über den Jugendschutz. Das ist aus Sicht der DGVT und des DGVT-BV nicht hinnehmbar. Es bedarf ausdifferenzierter

    Jugendschutzregelungen, zumal bekannt ist, dass auch Kinder und Jugendliche bereits mit Cannabis experimentieren, was dazu beitragen kann, dass sie in ihrer Entwicklung durch den Konsum von Cannabis behindert werden. Der Jugendschutz wird zwar im Gesetzentwurf verschiedentlich erwähnt, es fehlen aber Ausführungen zum Inhalt und zur Umsetzung. Wenn sich der Jugendschutz auf die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu entwickelnden digitalen Medien beschränken sollte, dann handelt es sich dabei nicht um ein Konzept, sondern um Einzelmaßnahmen, die in die bestehenden Präventionsstrukturen nicht eingebettet sind. Wohl auch deshalb finden sich dort lediglich Aussagen dazu, dass der Cannabiskonsum Kindern und Jugendlichen verboten ist. Es finden sich aber keine Ansätze im Gesetzentwurf zu einem Jugendschutzkonzept. Auch die stillschweigende Streichung des ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltenen Verbots, in Gegenwart von Kindern und Schwangeren im Auto zu rauchen, ist ein Fehler. Das Verbot sollte im Gesetzgebungsverfahren nochmals aufgegriffen und in den Gesetzestext eingearbeitet werden.

  6. Stärkung von Suchtberatung und ambulanter Psychotherapie im Gesetzentwurf nicht vorgesehen

Im CanG finden sich auch zur Beratung von Menschen mit Cannabisproblemen oder einer Abhängigkeit nur einige Hinweise darauf, dass die Präventionsbeauftragten in den Anbauvereinigungen mit den Suchtberatungs- und Behandlungseinrichtungen vor Ort kooperieren sollen. Eine konsequente Stärkung der Suchtberatung und Suchtbehandlung vor Ort ist im CanG nicht vorgesehen. Wir schließen uns der Forderung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) an, dass es einer bundesweit einheitlichen Einführung von Suchtberatung als verpflichtendes Leistungsangebot der Kommunen bedarf und dass psychotherapeutische Fachkompetenz dabei zu einem verpflichtenden Bestandteil einer jeden Suchtberatung werden sollte. Mit dem Cannabisgesetz wird zwar die Entstigmatisierung und Enttabuisierung von cannabisbezogenen Problemen angestrebt, gleichzeitig ist aber keine Schaffung von dringend notwendigen psychotherapeutischen Behandlungsplätzen vorgesehen. Auch das Abstinenzgebot bis zur 10. Behandlungsstunde in der ambulanten Psychotherapie stellt hier eine unnötige Hürde für den Zugang zur suchttherapeutischen Behandlung dar, die abgebaut werden muss. Eine Abstinenz ist nicht für jede Patient*in ein realistisches Therapieziel. Auch ein kontrollierter niedriger Gebrauch kann angestrebt werden, um Gesundheitsschäden zu reduzieren und Teilhabemöglichkeiten zu stärken. Die DGVT und der DGVT-BV fordern hier, dass das Abstinenzgebot in § 27 Abs. 2 Nr. 1a Psychotherapie-Richtlinie aufgehoben wird.

Stellungnahme als PDF Download:

DGVT-Stellungnahme Cannabisgesetz-CanG-08-2023

 

Weitere Infos:

https://www.dgvt-verlag.de

1/2023
Verhaltenstherapie mit Kindern & Jugendlichen
Zeitschrift für die psychosoziale Praxis
2023 , ISSN: VTKiJu2023-1

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