Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) gefährdet derzeit berufliche Weiterbildungen – auch im Bereich Beratung. Immer häufiger wird bei Lehrenden eine sogenannte Scheinselbstständigkeit festgestellt, also abhängige Beschäftigung statt Selbstständigkeit. Doch Honorartätigkeiten lassen sich in vielen Fällen nicht durch Festanstellungen ersetzen. Anbieter beruflicher Bildung müssen eine Vielfalt an fachlichen Expertisen abdecken, die angestellte Lehrende nicht vollständig erbringen können. Dadurch leidet die Qualität, weil eine flexible und vielseitige Bildungslandschaft ausgebremst wird.
Mitglieder von DGfB-Verbänden berichten zudem, dass Jugendämter ihre externen Supervisor:innen aufgrund von DRV-Statusfeststellungen in Festanstellung nehmen sollen – obwohl Supervision hier als externe Dienstleistung erbracht wird. Bei externer Supervision gibt es weder Weisungen durch den Auftraggeber noch eine Eingliederung in die Organisation, was für ein Beschäftigungsverhältnis nach §§ 7, 7a SGB IV erforderlich wäre. Die DRV beruft sich zwar auf das „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichts, geht in der Verwaltungspraxis jedoch über dessen Auslegung hinaus.
Jugendämter sind nach § 72 Abs. 3 SGB VIII verpflichtet, ihren Mitarbeitenden Praxisberatung zur Verfügung zu stellen – möglichst unabhängig supervidiert. Diese Pflicht wird durch das Vorgehen der DRV gefährdet: Hochqualifizierte Supervisor:innen gehen in der Regel keine Angestelltenverhältnisse zu Tariflohnniveau ein. Bei Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses könnten Auftragnehmer:innen sogar verpflichtet werden, die Differenz zwischen Honorar und Tariflohn zurückzuerstatten. Hinzu kommt der erhebliche bürokratische Aufwand zahlreicher Festanstellungen. Die Qualität im psychosozialen Feld und Gesundheitsbereich leidet damit zusätzlich zum ohnehin bestehenden Fachkräftemangel.
Im Koalitionsvertrag 2025 wurde eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens angekündigt. Dennoch hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bislang keine Reform auf den Weg gebracht. Der Bundestag hat zwar im Februar 2025 mit § 127 SGB IV eine Übergangsregelung geschaffen – diese läuft jedoch bereits am 31.12.2026 aus. Selbst der Bundesrat mahnt eine zügige Änderung an.
Druck auf Bundestag und Ministerium notwendig
Angesichts der massiven Bedrohung der Qualität in beruflicher Bildung sowie Kinder- und Jugendhilfe sollten Entscheidungsträger:innen in Bundestag und Ministerien auf diese Situation aufmerksam gemacht werden.
Jede Stimme hilft!
DGfB-Verbände und ihre Mitglieder können sich an ihre Bundestagsabgeordneten vor Ort wenden und auf die Problematik hinweisen – insbesondere an Abgeordnete der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD –, sowie direkt an das BMAS.
Sinnvoll ist es, in einem Schreiben mit eigenen Worten zu formulieren, was am Statusfeststellungsverfahren problematisch ist, und zu fordern, dass die angekündigte Reform unverzüglich und umfassend umgesetzt wird. Bitten Sie zeitnah um Antwort und, wenn möglich, um einen konstruktiven Dialog – so können Abgeordnete und Ministerien die Praxisperspektive nachvollziehen und passende Lösungen entwickeln.
Rechtlicher Hintergrund & weiterführende Infos
Der DGfB-/DGSF-Beauftragte für bildungspolitische Fragen, Dr. Joachim Wenzel, argumentiert in einem Papier, dass die Feststellungspraxis der DRV regelmäßig verfassungsrechtswidrig sei und durch das Grundgesetz geschützte Freiheitsrechte verletze: „Joachim Wenzel (2025): Grundrechte Selbstständiger angemessen schützen“ (verfügbar über die DGfB-Homepage). Dieses Papier kann in Schreiben an Abgeordnete und das BMAS referenziert oder als Anhang mitgesendet werden.
Weitere Hintergründe zum Thema finden Sie hier: VGSD: Scheinselbstständigkeit.