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Beratungsverständnis der DGfB

Die Entwicklung eines gemeinsamen Beratungsverständnisses dient dem Ziel der fachlichen Fundierung und Qualitätssicherung von Beratung. Dies soll die Profilbildung fördern und den Verbraucherschutz garantieren.
Zur Gewährleistung gemeinsamer Standards wird hier ein allgemein anwendbares Beratungsverständnis formuliert. Dies schließt Spezialisierungen und Schwerpunktsetzungen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern nicht aus.
Das Beratungsverständnis ist Ausdruck der Gemeinsamkeit und der Verschiedenheit der dieses Verständnis tragenden Organisationen und Verbände. Es umfasst somit unterschiedlichste Professionen, Tätigkeitsfelder, Aufgaben, Konzepte und Interventionsformen. Dabei wird davon ausgegangen, dass unterschiedliche Professionen und Institutionen im Hinblick auf die Ratsuchenden kooperieren.

1. Fachverständnis

Beratung kann sich sowohl auf Personen und Gruppen in ihren lebens- und arbeitsweltlichen Bezügen als auch auf Organisationen beziehen.
Sie befasst sich auf einer theoriegeleiteten Grundlage mit unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben und multifaktoriell bestimmten Problem- und Konfliktsituationen. Sie stellt sich Anforderungen aus den Bereichen von Erziehung und Bildung, Sozial- und Gemeinwesen, Arbeit und Beruf, Wohnen und Freizeit, Gesundheit und Wohlbefinden, Ökologie und Technik, Pflege und Rehabilitation, Ökonomie und Politik sowie des Rechts, wie sie in den unterschiedlichen Sozialgesetzen, vor allem im SGB VIII und SGB XII formuliert sind.
Diesem Beratungsverständnis liegt ein sozialwissenschaftlich und interdisziplinär fundiertes Handlungskonzept zu Grunde, das tätigkeitsfeld- und aufgabenspezifisch ausdifferenziert wird. Deshalb ist Kooperation und Vernetzung unterschiedlicher Berufsgruppen und Einrichtungen notwendiger Bestandteil der Beratungstätigkeit.
Beratung ist subjekt-, aufgaben- und kontextbezogen. Sie ist eingebettet in institutionelle, rechtliche, ökonomische und berufsethische Rahmenbedingungen, innerhalb derer die anstehenden Aufgaben, Probleme und Konflikte dialogisch bearbeitet und geklärt werden. Ein Ergebnis des Beratungsprozesses ist nur kooperativ erreichbar.
Beratung ist eine personen- und strukturbezogene soziale Dienstleistung. Sie setzt somit eine gemeinsame Anstrengung und Leistung aller Beteiligten (BeraterIn / Beratene und ggf. Kostenträger) und klare Zielvereinbarungen voraus.
Beratung grenzt sich von anderen professionellen Interventionsformen ab. Beispiele sind: Die Informationsvermittlung in der Medizin, das Case Management in der Sozialen Arbeit oder die handlungsanleitende Beratung bei der Gewährung von materiellen Leistungen in der Sozialhilfe, die Rechtsberatung und die Psychotherapie (heilkundliche Behandlungen entsprechend PsychThG und HPG). Abhängig von den zu bewältigenden Anforderungen, Problemlagen und Krisensituationen, in denen sich die Ratsuchenden befinden, kann Beratung Ressourcen aktivieren, gesundheitsfördernd, präventiv, kurativ oder rehabilitativ sein.

2. Tätigkeitsfelder und Aufgaben von Beratung

Beratung geschieht in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und ganz unterschiedlichen Einrichtungen und Unternehmen. In speziellen Beratungsinstitutionen (öffentliche oder freie Trägerschaft) oder in selbständigen Praxen bzw. multiprofessionellen Praxengemeinschaften wird sie durch einzelne BeraterInnen oder in Teams von mehreren BeraterInnen durchgeführt.
Die Tätigkeitsfelder und Aufgabenbereiche von Beratung sind gekennzeichnet durch:

  • unterschiedliche Beratungsfelder und/oder Adressaten (z.B. Erziehungs-, Partnerschafts-, Familienberatung, Berufsberatung, Bildungsberatung Schwangerschaftskonfliktberatung, Schülerberatung, Suchtberatung, Schuldnerberatung)
  • unterschiedliche Beratungsansätze und Beratungsanliegen (z.B. psychologische und psychosoziale, sozialpädagogische und sozialarbeiterische, pädagogisch – edukative, gemeinwesen- und gemeindeorientierte, betriebliche und personalentwickelnde, sozialökologische, seelsorgerische oder gesundheitsbezogene Ansätze, Anliegen und Aufgaben)
  • unterschiedliche Beratungskonstellationen und -settings (z.B. Einzel-, Paar-, Familien-, Gruppen-, Teamberatung)

Auf der Grundlage einer professionellen Beratungsbeziehung fördern die Beratungsfachkräfte das verantwortungsvolle Handeln einzelner Personen und Gruppen in individuellen, partnerschaftlichen, familialen, beruflichen, sozialen, kulturellen, organisatorischen, ökologischen und gesellschaftlichen Kontexten.

3. Vertrauensverhältnis und Beratungsbeziehung

Beratung erfolgt auf der Grundlage eines rechtlich geschützten Vertrauensverhältnisses (Schutz des Privatgeheimnisses und Datenschutz). Die Vertrauensbeziehung zwischen BeraterIn und Ratsuchenden ist durch entsprechende gesellschaftliche Regelungen besser als bisher zu schützen. Die Einräumung des Zeugnisverweigerungsrechts für alle Berater und Beraterinnen ist ein unerlässlicher Bestandteil zur vollständigen Sicherung des Vertrauensverhältnisses. Die berufs- und beratungsrechtlichen Kenntnisse sind integrale Bestandteile des fachlichen Handelns.
Die Fachkräfte sind verpflichtet, mit in der Beratungsbeziehung entstehenden Abhängigkeiten sorgsam umzugehen. Die fortlaufende Analyse der Beziehungen, Verhaltensweisen und Interaktionen im Beratungsprozess sind wesentlicher Bestandteil der Beratung.

4. Wert- und Zielorientierung

Die Beratung wird in persönlicher, sozialer und rechtsstaatlicher Verantwortung ausgeübt und orientiert sich handlungsleitend am Schutz der Menschenwürde und an berufsethischen Standards. Sie unterstützt emanzipatorische Prozesse und Partizipation und deckt Spannungsfelder, Machtverhältnisse, Konflikte und Abhängigkeiten in unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen auf. Dabei werden insbesondere auch geschlechts-, generationen- und kulturspezifische Aspekte berücksichtigt. Ratsuchende werden bei der Reflexion von Erfahrungen und Erlebenszusammenhängen unterstützt, was ein Bewusstsein für die persönlichen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Anforderungen, Probleme und Konflikte entwickelt. Fragen zur persönlichen Identitätsbildung und zur Entwicklung von Sinnperspektiven finden hier ebenso Platz wie die Bearbeitung konkreter Belastungssituationen.
In dem dialogisch gestalteten Prozess, der auf die Entwicklung von Handlungskompetenzen, auf die Klärung, die Be- und Verarbeitung von Emotionen und auf die Veränderung problemverursachender struktureller Verhältnisse gerichtet ist,

  • sollen erreichbare Ziele definiert und reflektierte Entscheidungen gefällt werden,
  • sollen Handlungspläne entworfen werden, die den Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten des Individuums, der Gruppe oder Organisation entsprechen,
  • sollen persönliche, soziale, Organisations- oder Umweltressourcen identifiziert und genutzt werden, um dadurch selbst gesteckte Ziele erreichen oder Aufgaben gerecht werden zu können und
  • soll eine Unterstützung gegeben werden beim Umgang mit nicht behebbaren / auflösbaren Belastungen.

Das Ziel der Beratung ist in der Regel erreicht, wenn die Beratenen Entscheidungen und Problembewältigungswege gefunden haben, die sie bewusst und eigenverantwortlich in ihren Bezügen umsetzen können. Hierzu gehört auch, dass Selbsthilfepotentiale und soziale Ressourcen in lebensweltlichen (Familie, Nachbarschaft, Gemeinwesen und Gesellschaft) und arbeitsweltlichen (Team, Organisation und Institution) Bezügen erschlossen werden.

 

5. Standards für die Qualifikation von Beratungsfachkräften

Professionell zu verantwortende Beratung wird durch die Beraterpersönlichkeit, das wissenschaftlich fundierte Handlungskonzept und eine standardgemäße, d.h. wissenschaftlich fundierte Qualifikation entwickelt und gesichert.
Inhalte der Ausbildung bzw. Weiterbildung sind:

  • Theorie und Methodik von kontextgebundener Einzel- und Gruppenberatung, differentielle Diagnostik, Entwicklungs- und Hilfeplanung und Verfahren der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung
  • dokumentierte, eigenständig durchgeführte Beratungspraxis, die konzeptgebunden (selbst-) evaluiert wird</li>
  • dokumentierte und (selbst-)evaluierte Praxis von Vernetzung und Kooperation bzw.Teamteilnahme in interdisziplinären Zusammenhängen und in Beratungseinrichtungen / Institutionen
  • Praxisreflexion / Supervision einzeln und in Gruppen
  • kollegial gestaltete Supervision
  • Persönlichkeitsbildung (einzeln und in der Gruppe)
  • Selbst- und Fremdwahrnehmung (Selbsterfahrung und -reflexion)

Eingangsvoraussetzung für eine wissenschaftlich fundierte Aus- und Weiterbildung in Beratung ist in der Regel ein Hochschulabschluss in den für das Arbeitsfeld relevanten Bereichen (Universität / Fachhochschule). Ausnahmeregelungen sind für andere Fachkräfte mit einschlägigen Berufserfahrungen durch Zulassungsprüfungen nach einem festgelegten Kriterienkatalog möglich. Die persönliche Eignung wird gesondert festgestellt.
Für langjährig erfahrene Berater und Beraterinnen in oben angegebenen Beratungsfeldern und Beratungsfunktionen sind Übergangsregelungen für die weitere Berufsausübung zu schaffen. Bei notwendig werdenden Umschulungen und Weiterbildungen ist dies einvernehmlich mit dem Anstellungsträger zu regeln.

 

6. Wissenschaftliche Fundierung der Beratungskonzepte

Professionelle Beratung wird durch ein interdisziplinär entwickeltes und wissenschaftlich fundiertes Handlungskonzept geprägt. Sie wird tätigkeitsfeld- und aufgabenspezifisch ausdifferenziert.
Unterschiedliche Beratungskonzepte werden von einschlägigen Ausbildungsstätten auf der Grundlage unterschiedlicher theoretisch und empirisch fundierter Erkenntnisse und methodischer Zugänge der Prävention/Gesundheitsförderung, Intervention und Rehabilitation entwickelt.
Die Konzept- und Methodenvielfalt wissenschaftlicher Beratung erfordert in einem professionellen Anspruch des beruflichen Handelns ein theoretisch begründetes und für die Ratsuchenden und Nutzer transparentes und evaluiertes Arbeitskonzept.

 

7. Beratungswissen / Expertenwissen

Beratung setzt persönliche, soziale und fachliche Identität und Handlungskompetenz des/der Beratenden voraus. Je nach Aufgabenstellung und Kontext, Anwendungs- oder Tätigkeitsfeld werden persönliche Erfahrungen und subjektiv geprägte Sichtweisen und Erlebenszusammenhänge der Beratenen auf der Grundlage theoretisch fundierten Beratungswissens reflektiert. Hierzu sind insbesondere auch kommunikative und problemlösungsorientierte Kompetenzen erforderlich. Ergänzend wird bei entsprechenden Fragestellungen fachlich fundiertes Wissen (Informationen) vermittelt und wissenschaftlich fundierte Erklärungen herangezogen. Auf diese Weise sollen bestimmte Aufgaben und Anforderungen, Probleme und Konflikte oder phasentypische Situationen besser beurteilt und bewertet werden können. Je nach Tätigkeitsfeld und Kontext kann sich das Wissen auf Bereiche der Psychologie, der Soziologie, der Erziehungswissenschaft und Pädagogik, der Sozialarbeit, Theologie, der Pflege, des Rechts, der Ökonomie, der Betriebswirtschaft, der Medizin, der Psychiatrie etc. beziehen.
Expertenwissen kann durch den Berater/die Beraterin selbst oder in interdisziplinärer Kooperation mit entsprechenden Fachkräften in den Beratungsprozess eingebracht werden.

 

8. Qualitätssicherung und Evaluation

Wissenschaftlich qualifizierte BeraterInnen üben ihre Tätigkeit im Rahmen eines systematisierten,theoretisch und methodisch fundierten Konzeptes aus. Sie reflektieren Planung, Umsetzung und Auswertung des beruflichen Handelns in den konzeptgebundenen Zusammenhängen. So soll das theoretisch und methodisch geprägte Handeln intersubjektiv überprüfbar sein und somit der Beliebigkeit von Handlungsweisen entgegenwirken. Voraussetzung ist eine für NutzerInnen  verständliche Darstellung des Konzepts und Transparenz der angewandten Methoden und Verfahren.
Zur Sicherung des fachlichen Handelns (Prozessqualität) dienen die professionell angewandten Verfahren konzeptgebundener Qualitätssicherung, Fallbesprechungen im multidisziplinären Team oder im kollegialen Verbund der Einzelpraxis, Supervision, Fort- und Weiterbildung. Zu den Methoden der Selbstevaluation zählen: status- und prozessbegleitende Diagnostik, Wirkungsanalysen und Verfahren zur prozessbegleitenden Dokumentation, Reflexion und (Selbst-) Evaluation von Beratungskontakten. Wirkungsanalysen und die Überprüfung von Ergebnisqualität wird als gemeinsame Leistung von BeraterIn, KlientIn und ggf. Kostenträger verstanden.
Als weitere qualitätssichernde Maßnahme haben die Beratenen bei Unklarheiten und Unzufriedenheit die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen. Dies gilt auch im Sinne des Verbraucherschutzes bei Übereilung und wirtschaftlicher Übervorteilung sowie bei missbräuchlicher Anwendung von Techniken, mit denen Bewusstsein, Psyche und Persönlichkeit manipuliert werden können.

 

9. Organisation

Zur Entwicklung und Umsetzung des hier formulierten Beratungsverständnisses und der aufgeführten Standards wird eine Gesellschaft gegründet.

 

Zur Entstehung des Grundsatzpapieres

Das Grundsatzpapier „Psychosoziales Beratungsverständnis“ wurde durch das offene Forum „Arbeitsgemeinschaft Beratungswesen“ – die Quellorganisation der DGfB – in einem breiten Diskurs entwickelt und am 19.06.2003 verabschiedet. Alle Gründungsmitglieder der DGfB haben dieses Grundsatzpapier durch Beschlüsse ihrer Organe ratifiziert. Ohne diese formelle Ratifizierung war eine Gründungsmitgliedschaft in der DGfB nicht möglich.
Das Grundsatzpapier haben für die Arbeitsgemeinschaft Beratungswesen erarbeitet: Sofia Bengel, Dr. Notker Klann, Hubert Kötter, Anni Michelmann, Dr. Florian Moeser-Jantke, Prof. Dr. Frank Nestmann, Karl-Walter Pfeifer, Dr. Wolfgang Rechtien, Prof. Ursula Straumann. Die „Arbeitsgemeinschaft Beratungswesen“ insgesamt wurde über Jahre hinweg erfolgreich moderiert und koordiniert durch Karl-Otto Hentze.

Das Beratungsverständnis der DGfB können Sie herunterladen (pdf, 74kb).

 

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